Familie Weissert aus
Kleingartach muss tragische Unfallfolgen ertragen und steht jetzt
Betroffenen bei
Trotz Leid neue Brücken zurück ins Leben bauen
Es ist noch heute völlig unbegreiflich. So harmlos schien der
Autounfall am 1. März 1999, der die 13-jährige Hannah Weissert aus
Kleingartach das Leben kostete. Trotz langsamer Fahrt war ihre Schwester
Dorothee (heute 22) bei Blitzeis von der geschotterten Fahrbahn
abgekommen. Ein Baum. Der Aufprall. Prellungen, Rippenbrüche. Die
mitfahrende Schwester Greta (19) bleibt unversehrt. Helfer sind rasch
vor Ort, doch das Blatt wendet sich. Die inneren Verletzungen Hannahs -
die grausame Gewissheit dämmert den Ärzten nach und nach - sind zu
schwer. Stunden später ist sie tot.
"An diesem Montag war ganz Kleingartach völlig
aufgerührt", erinnert sich Mutter Ursula Weissert-Hartmann.
"Das ist die größte Katastrophe, die man in Friedenszeiten
persönlich erleben kann": Friedrich Weissert spricht aus
bitterster Erfahrung. Aber auch wenn der Schmerz ein Leben lang bleiben
wird - Hannahs Tod schweißte die Weisserts fest zusammen, gibt ihnen
heute sogar die Kraft, anderen Betroffenen neue Brücken zurück ins
Leben zu bauen.
Schon im ersten Schock erlebt die Familie eine ungeheure Welle von
Mitgefühl. Die gesamte Großfamilie, Nachbarn, ganz Kleingarfach
tröstet, hilft. Eine türkische Freundin backt Brot für die völlig
verstörte Familie; verwaiste Eltern aus dem Ort stehen ihr spontan zur
Seite. Und wie es der Zufall will, erfahren die Weisserts in ihren
schwersten Stunden von den Hospizwochen des evangelischen Kirchenbezirks in Bad Rappenau. Nur wenige Tage nach Hannahs Beerdigung
hören sie einen Vortrag von Daniela Tausch-Flammer, die die Hospizarbeit in
Stuttgart mit aufbaute. Hannahs Mutter erinnert sich, wie sehr das half.
"Das war ein Vortrag vor Hunderten, aber wir haben gedacht: Die
spricht nur für uns.-
Dorothee, gequält von Schuldgefühlen, holt sich persönlichen Rat
von der Referentin - und kann sich danach zu einer Psychotherapie
durchringen. "Das waren ganz entscheidende Momente", sagt
Friedrich Weissert heute. Seine Frau pflichtet ihm bei: "Uns hätte
nichts Besseres passieren können."
Weitere Vorträge folgen, Gespräche, tiefer Gedankenaustausch. Eine
wirkliche Stütze wird Sozialarbeiter Hugo Schleicher, Geschäftsführer
des Diakonischen Werks Eppingen. "Er hat zugehört und moderiert,
er hat die ganze Familie begleitet. Und er hat nie auf die Uhr
geschaut", erinnert sich Hannahs Schwester Greta dankbar.
Eine andere Folge von Hannahs Tod: Wenn Ursula Weissert-Hartmann aus
der Zeitung von ähnlichen Fällen erfährt, greift sie zum Briefpapier.
Die Antwort lässt meist nicht lang auf sich warten. Schon bald finden
Betroffene zusammen. Die Trauer ist ein Thema. Aber auch die Belastung,
die ein solcher Schlag für die Partnerschaft mit sich bringen kann.
Mittlerweile hat sich ein echtes Netzwerk entwickelt. Wieder und
wieder erfahren Weisserts von ähnlichen Schicksalen anderer, sind da,
wenn sie gebraucht werden. "Das kommt immer wieder zurück",
weiß Greta Weissert.
Der Beistand hilft auch innerhalb der Familie. Der Vater sagt dazu:
"Das hat uns zusammengeschweißt." Ursula, Friedrich, Greta.
Und Dorothee.
Steffan Maurhoff, Heilbronner Stimme, Freitag, 09.05.03
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