Parrerin Elfriede Schick aus Neulautern betreut seit fünf Jahren die
Patienten in der Klinik Löwenstein in ihren schwersten Stunden
Sie gibt den Sterbenden was sie brauchen: Nähe
Ihre Pfarrgemeinde - Neulautern mit Stocksberg - ist wie viele andere
auch. Dort tauft Elfriede Schick Menschen, sie traut und beerdigt sie.
An ihrem anderen Arbeitsplatz erlebt sie vor allem menschliches Leid.
Elfriede Schick ist seit fünf Jahren Seelsorgerin in der Klinik
Löwenstein.
"Zuhören. Zuhören, das ist hier im Krankenhaus meine
wichtigste Aufgabe", sagt Elfriede Schick und lächelt durch ihre
Brille. Die 59-Jährige lächelt viel. Und das, obwohl ihre Aufgabe in
der Klinik keine einfache ist. Wer hierher kommt, der hat keinen
harmlosen Arm- oder Beinbruch. Von den 5500 Patienten, die jährlich
eingeliefert werden, haben 1800 Lungenkrebs. "Drei Prozent unserer
Patienten sterben - das ist relativ viel", sagt Geschäftsführer
Dieter Bopp. Viele - Asthmatiker etwa - wissen, dass sie nie ganz
geheilt werden können. Sie müssen in der Klinik lernen, mit der
Krankheit zu leben.
Trotz aller Traurigkeit, aller Hilflosigkeit, mit der Elfriede Schick
Tag für Tag konfrontiert wird - von Gram gebeugt ist sie keineswegs:
"Ob ich es schwerer habe als andere Pfarrer? Ich weiß nicht. Ich
bin immer wieder erstaunt, wie schnell ich mit den Leuten im Gespräch
an einem wichtigen Punkt bin. Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit,
dass die Patienten schnell Vertrauen finden." Und wieder lächelt
sie.
Drei Mal in der Woche ist sie da. "Ich gehe dahin, wo das
Gespräch gewünscht wird." Das kommt aber gar nicht so oft vor.
"Viele erwarten eher im Stillen, dass man kommt." Deshalb geht
sie oft ins Stationszimmer und erkundigt sich, welche Kranken Beistand
brauchen. Den haben nicht nur die Patienten, sondern auch das
Pflegepersonal und der ehrenamtliche Besuchsdienst nötig. "Gerade
für Berufsanfänger ist es oft schwer, mitansehen zu müssen, wenn
jemand stirbt."
Sterbende begleiten - das hat im Leben der evangelischen Pfarrerin
einen hohen Stellenwert. So engagiert sie sich im Hospizdienst
Weinsberger Tal. "Dieser Schwerpunkt hat sich aus meinem Lebenslauf
ergeben." Erst hat sie ihre Eltern auf ihrem letzten Weg betreut,
dann einen guten Freund. "Ich habe gemerkt, ein sterbender Mensch
braucht vor allem eins: Nähe." Die schenkt sie den Menschen - und
wird dabei selbst beschenkt: "Es ist ein erhebendes Gefühl zu
spüren, wie ein Mensch getragen wird. Er ist dankbar, weil man da
ist."
Und noch was: Die Begleitung sterbender Menschen führt dazu, dass
die unverheiratete Frau ihr eigenes Leben bewusst lebt - ganz besonders
tut sie das seit einem Jahr. Da hatte sie sich einen Halswirbel
gebrochen und war dem Tod nah.
Passiert es oft, dass ein Patient in seinem Leid Gott ablehnt?
Elfriede Schick runzelt die Stirn, überlegt kurz und antwortet dann mit
ihrer ruhigen Stimme: "Nein, das ist selten. Aber natürlich kommt
öfter die Frage: Warum gerade ich? Eine Antwort kann sie nicht geben.
"Ich sage den Kranken dann: Auch im Leid fällt man nicht aus
Gottes Hand." Und sie gibt den Menschen etwas in die Hand: einen
kleinen Bronze-Engel. "Er symbolisiert die Nähe Gottes."
Viel Leid, viel Schmerz erlebt Elfriede Schick Tag für Tag in der
Klinik Löwenstein; es gab auch schon einen Fall, da dachte sie:"
Ich packe es nicht." Kann sie überhaupt richtig abschalten? Wieder
lächelt sie: "Ich stelle mein Auto immer bewusst ganz unten ab.
Wenn ich das Krankenhaus verlasse, gucke ich immer, welche Blumen gerade
blühen." Zurzeit sind es Gänseblümchen. "Und dann denke
ich: Trotz allem Elend gibt's ein Blühen. Der Weg zum Auto - das ist
für mich ein Stück Therapie."