Nach oben Sterbehilfe Rechtslage Position der DGHS Einwände gegen Euthanasie
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Ist aktive oder passive Sterbehilfe rechtlich
zulässig?
Zur Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland
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Fremd-
tötungsverbot |
Das
deutsche Strafrecht wird von dem prinzipiellen Verbot der Tötung
fremden Lebens bestimmt. Ausprägung dieses Fremdtötungsverbotes ist §
216 StGB. Nach dieser Bestimmung wird auch derjenige mit einer
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, der
durch das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen des Getöteten zur
Tötung bestimmt worden ist.
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Aktive Sterbehilfe |
Wer also allein aus Mitleid einen anderen
Menschen tötet, wird selbst dann bestraft, wenn die Tötung von dem
Getöteten ausdrücklich gewünscht wird. Wegen der besonderen
psychischen Ausnahmesituation ist jedoch der Strafrahmen bei der Tötung
auf Verlangen gegenüber den sonstigen Fremdtötungsdelikten deutlich
reduziert.
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Straffreiheit der
Selbsttötung
Tötung auf Verlangen
Teilnahme am Suizid |
Diesem Prinzip steht im
deutschen Strafrecht die Straffreiheit der Selbsttötung gegenüber. Da
der Suizid straflos ist, ist auch die Anstiftung oder Beihilfe zur
Selbsttötung nicht strafbar. Wer also einem Schwerstkranken auf dessen
Wunsch eine Spritze mit todbringendem Inhalt bereitlegt, die der
Schwerstkranke sich anschließend in freier Willensentscheidung selbst
setzt, macht sich nicht strafbar, wer hingegen die todbringende Spritze
auf Wunsch des Sterbenskranken verabreicht, weil dieser hierzu nicht
mehr selbst in der Lage ist, macht sich wegen Tötung auf Verlangen
strafbar. Maßgeblich für die Unterscheidung zwischen Tötung auf
Verlangen und bloßer Teilnahme am Suizid ist, ob die letzte
Entscheidung über die Herbeiführung des Todes bei dem Betroffenen
selbst verbleibt oder ob die Entscheidung über den Todeseintritt einem
Dritten letztverantwortlich obliegt.
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Behandlungsabbruch |
Andererseits kann jeder
Patient aufgrund des ihm zustehenden Selbstbestimmungsrechts die
Fortführung einer medizinischen Behandlung ablehnen und beispielsweise
auch durch Nichtanwendung von aus medizinischer Sicht gebotenen
lebensverlängernden Maßnahmen den Sterbeprozess beeinflussen.
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Entscheidungsunfähiger
Patient |
Umstritten ist, ob bei
Fällen, in denen der Patient völlig entscheidungsunfähig oder
zumindest nicht mehr ansprechbar ist, das Absetzen von Therapien und das
Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen zulässig ist. Dies sind die
Fälle der sogenannten passiven Sterbehilfe. Muss der Arzt einen
Patienten, der nach einem schweren Verkehrsunfall in ein nach
medizinischer Erkenntnis dauerhaftes Koma verfallen ist, bis zum
Eintritt des Hirntodes mit allen technisch einsetzbaren Apparaten am
Leben erhalten?
Die überwiegende Auffassung der Strafrechtler und
Verfassungsrechtler geht dahin, dass die Lebenserhaltungspflicht dann
enden darf, wenn einem Patienten aufgrund unwiederbringlichen Verlustes
jeglicher Reaktionsfähigkeit die Möglichkeit weiterer
Selbstwahrnehmung und Selbstverwirklichung genommen ist. Bei
nachweislich irreversiblem Bewusstseinsverlust stellt demnach ein
einseitiger Behandlungsabbruch keinen Verstoß gegen das
Fremdtötungsverbot dar, auch wenn ein Arzt als sogenannter Garant
ansonsten durch die Übernahme der ärztlichen Behandlung grundsätzlich
wegen Tötung durch Unterlassen belangt werden kann, wenn er nicht alle
medizinisch gebotenen Möglichkeiten zur Vermeidung des Todeseintritts
ausschöpft.
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Grenzen der Pflicht zur
Erhaltung des Lebens |
Begründet wird diese
Rechtfertigung des einseitigen Behandlungsabbruchs mit der Zielsetzung
des ärztlichen Auftrages (vgl. Albin Eser in: Walter Jens, Hans Küng,
Menschenwürdig sterben, 2. Auflage 1998, Seite 161 ff.). In der
Lebensverlängerung als solcher sei kein ausschließliches Ziel der
medizinischen Praxis mehr zu erblicken. Nicht die
quantitativ-biologische Verlängerung des Lebens um ihrer selbst willen,
sondern im Zusammenhang damit auch die Ermöglichung eines Minimums an
personaler Selbstverwirklichung sei Inhalt des ärztlichen Auftrags.
Erweist sich dieses Ziel als nicht mehr erreichbar, so ist weiteres
medizinisches Bemühen schon nicht mehr Dienst am Menschen und damit
auch rechtlich nicht mehr geboten.
Schwierigkeiten bestehen, verbindliche Leitlinien für die Grenzen
der Lebenserhaltungspflicht aufzuzeigen. Die Schweizer Richtlinien für
Sterbehilfe aus dem Jahr 1977 empfehlen, dass ein Arzt mit der
Behandlung aufhören darf, wenn der Patient "kein bewusstes und
umweltbezogenes Leben mit eigener Persönlichkeitsgestaltung" mehr
wird führen können. Eser (a.a.O. Seite 164) möchte den Zeitpunkt, von
dem an kein bewusstes und umweltbezogenes Leben mehr möglich ist,
dahingehend konkretisieren, dass ein irreversibler Bewusstseinsverlust
feststehen muss. Ein Behandlungsabbruch wäre dann von dem Moment an
zulässig, wo nach menschlicher Einschätzung ein Patient nie mehr zum
Bewusstsein zurückfinden kann.
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Passive Sterbehilfe |
Wenn die Kriterien erfüllt
sind, die einen einseitigen Behandlungsabbruch durch das Unterlassen
lebensverlängernder Maßnahmen (passive Sterbehilfe) rechtfertigen, ist
auch ein technischer Behandlungsabbruch erlaubt. Unter einem technischen
Behandlungsabbruch wird beispielsweise das Abschalten eines
Beatmungsgerätes durch den dafür zuständigen Arzt verstanden. Obwohl
dieses Abschalten ein aktives Tun darstellt und damit dem
Fremdtötungsverbot zuwiderläuft, entspricht dieses Handeln seinem
sozialen Sinn nach der Einstellung einer medizinisch sinnlos gewordenen
und der Menschenwürde widersprechenden Weiterbehandlung unmittelbar in
der Phase des Sterbens befindlicher Patienten.
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Indirekte Sterbehilfe |
Eine weitere Fallgruppe
umfasst die sogenannte indirekte Sterbehilfe. Denkbar sind Fälle, in
denen ein Arzt zur Schmerzlinderung ein Medikament verabreicht und hierbei ein
eventuell bestehendes lebensverkürzendes Risiko dieses Medikaments bewusst in Kauf nimmt. In rechtlicher Hinsicht
problematisch ist, dass der Arzt hier bedingt vorsätzlich handelt. Nach
heute vorherrschender Auffassung ist die Inkaufnahme des tödlichen
Risikos bei der Vergabe von schmerzlindernden Mitteln nicht strafbar, da
der Arzt in erster Linie eine Schmerzlinderung herbeiführen will und
ein tödliches Risiko nicht beabsichtigt. Wenn sein Handeln in
tatsächlichem oder mutmaßlichem Einvernehmen mit dem Patienten steht,
liegt ein die Bestrafung ausschließender Rechtfertigungsgrund vor.
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Rechtliche Würdigung |
Da das Recht zur
Selbstbestimmung über den eigenen Körper in den Kernbereich der durch
Art. 1 und 2 GG insgesamt geschützten menschlichen Würde und Freiheit
gehört, ist bei der passiven und indirekten Sterbehilfe der Vorrang des
erklärten Patientenwillens auch verfassungsrechtlich verbürgt
(Friedhelm Hufen, In dubio pro dignitate. Selbstbestimmung und
Grundrechtsschutz am Ende des Lebens. Neue Juristische Wochenschrift
2001, S.849 (856)). Der tatsächlich geäußerte oder zu einem früheren
Zeitpunkt dokumentierte Wille - als der Patient zu
selbstverantwortlichem Handeln noch in der Lage war - ist verbindlich und
darf nicht übergangen werden.
Aktive Sterbehilfe hingegen stellt einen Eingriff in das Grundrecht
auf Leben dar, der nach geltendem Recht durch die Einwilligung des
Patienten nicht gerechtfertigt werden kann.
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Dr. Markus Kleine
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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